Ein Text von
Thilo Hornschild
Es ist 06:00 Uhr morgens am Berliner Ostbahnhof, den Koffer seiner Martin Gitarre zwischen die Beine geklemmt verschlingt Philipp Lumpp hastig eine Stulle. Nur Minuten später rollt der ICE aus der Hauptstadt heraus und bringt ihn zurück nach Heilbronn. Dorthin wo die Stulle wieder Käsebrot heißt. Philipp schaut aus dem Fenster, an Schlaf ist nicht zu denken, denn langsam beginnt sich die vergangene Nacht vor seinem inneren Auge auszubreiten und die Bilder, Töne, Begegnungen und Eindrücke rasen nur so durch seinen Kopf…
Vor vier Jahren hatte er angefangen dieses „Musik-Ding“ richtig anzupacken. Es ernst zu meinen. Schließlich hatte er alles dafür hingeworfen und alles Ersparte in die erste Produktion investiert. Das eher konservative Elternhaus, aus dem er kommt, der Konzern mit der stabilen Festanstellung… all dies wurde aufs Abstellgleisgleis geschoben. Aber beides war dann doch wegweisend und prägend dafür, wie Philipp Lumpp fortan Schritt für Schritt seinen Weg als Solokünstler gestalten sollte. Nämlich mit unternehmerischem Spirit und einer Strategie, die er peu a peu abarbeitete.
“Sind Sie ok?”, fragt die ältere Dame, weil Philipp mit vertränten Augen die Resultate der letzten Nacht hört. Immer und immer wieder… Die vergangene Nacht verbrachte er im Studio mit dem Produzenten und Songwriter Stephan Piez, a.k.a. Der Polar (Florian Künstler, Glasperlenspiel, Annett Louisan). Das gebuchte Hostel-Bett im 8-Bett Zimmer blieb vollkommen unberührt. Die beiden hatten sich in einem Kreativ-Strudel treiben lassen und produziert, geschrieben, gefeilt, verworfen und neu erdacht und die Zeit verflüchtigte sich. Beide teilen die gleiche Vision: alles kann potenziell Kunst sein.
Das Resultat ist die Single “Es ist okay”, in der sich Philipp Lumpp mit seinem jüngeren Ich unterhält und ihm beruhigend zuredet. Nimm Dir das Mädchen, das nicht dir nicht mehr schreibt, nicht so zu Herzen und sieh die Zukunft nicht als Deinen Angstgegner. Sowieso, Angst. Du hast es doch im kompletten DIY-Modus bis hierhin geschafft. Und dass trotz vieler Sorgen und wenig Geld. Dass der Song einige Wochen später auf mehreren deutschen Rundfunkstationen laufen wird, ahnt der Songwriter noch nicht.
Nachdem Philipp Lumpp ausgerechnet im Jahr 2021 sein Solo-Debüt “Aus gegebenem Anlass” veröffentlichte, hatte der ursprünglich generationsbedingt Rap- und HipHop-geprägte Singer-Songwriter die lokale Aufmerksamkeit. Sein Wesen, seine Geschichten und sein authentisches Auftreten brachten ihn zu einem Interview im SWR und plötzlich war er auch noch für den Rio Reiser Songpreis 2021 nominiert.
“Es ist okay”. Dieser Weg war am Ziel angekommen, einem Ziel, das erst der Anfang war. In der natürlichen Symbiose der beiden Songwriter entstanden Songs, die Philipps artistisches Selbstverständnis ausatmen ließen, er das Universum Popmusik zuließ und „Lieder über Liebe“ für uns schrieb und produzierte.
Kurz darauf entstand in einer nächtlichen Session seine neue Single „Vorbeigefahren“, eine Momentaufnahme einer Entscheidung, die völlig neue Weichen stellt. Völlig heartbroken seinen Job runterzuroboten und danach an ihrem Haus entlangzukommen, sogar zu sehen, dass sie daheim ist. Was schießt einem da alles durch den Kopf? Und dann fährt man dennoch vorbei. Vorbei. Schwere Entscheidung.
„Vorbeigefahren“ ist nicht unbedingt der feel good-happy go lucky Sommersong, aber das ist gut so. Philipp Lumpp ist eben auch nicht der traurige Junge von umme Ecke. Er erzählt schlicht Geschichten aus seinem Leben, es hat schließlich immerhin schon zweimal zur Nominierung zum Rio Reiser Songpreis und mehrerer Radio-Playlists gereicht. Hardfacts. Wenn das Video nur halb so poetisch wird, wie „Es ist okay“, dann werden wir alle verwöhnt werden von einem Künstler, der Stein auf Stein baut in einer selbstgebauten Karriere in Echtzeit. Kein Label, ein Traum und ein Wunsch, ein Trieb und ein Gedanke. Über 12k monatliche Hörer auf Spotify teilen diese Ansicht jedenfalls.